Gottesdienst für Hörgeschädigte in Ilmenau

Für die Ilmenauer Glaubensgeschwister ein Novum: zum ersten Mal findet in ihrer Kirche ein Gottesdienst für Hörgeschädigte statt.

 

Vor zehn Jahren gab Bezirksapostel Wilfried Klingler den Impuls, Gottesdienste für Hörgeschädigte auch in Sachsen-Anhalt und Sachsen/Thüringen anzubieten. Diese wurden anfänglich von geeigneten Amtsträgern aus Niedersachsen durchgeführt. Inzwischen halten auch Priester aus Sachsen/Thüringen Gottesdienste in Lautsprache mit lautsprachbegleitenden Gebärden. Dabei erhalten sie sehr viel Unterstützung von Geschwistern aus verschiedenen Gemeinden. In Mitteldeutschland werden einmal monatlich jeweils in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen/Thüringen an wechselnden Orten Gottesdienste für Hörgeschädigte angeboten.

Sonntagmorgen in Ilmenau: Der Gottesdienst beginnt an diesem Tag erst 10:30 Uhr, da die Gäste mit ihren Begleitern teilweise längere Anreisewege zurücklegen müssen. Gottesdienstleiter ist Priester Steffen Förster aus der Gemeinde Arnstadt. Erstmals erlebte er 2007 einen Gottesdienst für Hörgeschädigte in Erfurt – scheinbar zufällig, jedoch mit Konsequenzen: Er traf dort Hörgeschädigte aus seiner Heimatstadt, die ihn in der Folgezeit darum baten, ihre Sprache, die Gebärdensprache zu erlernen. Und so arbeitete er sich in den letzten Jahren stetig in diese anspruchsvolle und auch recht zeitintensive Aufgabe ein. Das kann man im Gottesdienst live erleben. Das Bibelwort wird verlesen:

„Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden“ (Kolosser 1,13.14).

 

Der Priester spricht in angemessenem Sprachtempo und formt seine Worte, sodass die hörgeschädigten Gottesdienstbesucher von seinen Lippen ablesen können. Unterstützend und äußerst hilfreich als Ergänzung zur Lautsprache sind die entsprechend begleitenden Gebärden. Diese ungewohnte Art lässt den Predigtinhalt auch auf die hörenden Gottesdienstteilnehmer besonders wirken. Bezug nehmend auf das Bibelwort bringt der Dienstleiter der mit Erwartungen gekommenen großen Gemeinde entgegen, dass Gott den Menschen liebt, weil ER in jedem Einzelnen unschätzbaren Wert sieht. Der Allewige hat uns errettet vom Reich des Bösen und uns in das Reich seines lieben Sohnes geführt. Der Priester charakterisiert in einer bildhaften Sprache beide Reiche, als ob man Länder oder Lebensräume miteinander vergleichen würde. Sie unterscheiden sich beispielsweise in Sprache und Lebensgewohnheiten. Während man in dem einen eher egoistisch geprägt lebt und eine gewisse Zerstreuung seiner Gedanken sucht, bemühe man sich im Reich Christi um eine von Wertschätzung getragene „Sprache“ und konzentriere sich auf die Zukunft mit Gott. Priester Förster ruft die Gemeinde dazu auf, täglich zu prüfen, in welchem „Reich“ sich jeder einzelne wohl befinde. Jesus Christus, der sich selbst als die „Tür zum Leben“ bezeichnete, hält diese einem jeden immer offen. Besonders erlebbar sei das in der Sündenvergebung und anschließenden Abendmahlsfeier.

Zwischenzeitlich kommen die Kinder zu „Wort“: sie besingen Gottes LIEBE, GÜTE und HILFE und bewegen sich dabei mit Begeisterung. In ihren Predigtbeiträgen unterstreichen die Priester Ralph Georgi aus Aue und Dieter Schweda aus Leipzig liebevoll das zuvor verkündigte Wort Gottes. Weitere Liedvorträge sind angesagt – immer wird „übersetzt“. Schließlich gebärdet die versammelte Gemeinde das Lied „So nimm denn meine Hände“.

Nach der Feier des Heiligen Abendmahls, dem Gebet und Schlusssegen ist der Gottesdienst beendet, doch bleibt die Gemeinde mit ihren Gästen anschließend zum gemeinsamen Brunch zusammen. Neben den Amtsträgern sind noch weitere Glaubensgeschwister zugegen, die den Hörgeschädigten gern Unterstützung geben, mit ihnen Zusammenkünfte organisieren und auch im herzlichen Umgang miteinander die erlernte Gebärdensprache schrittweise erweitern.

Diese Begegnung wird wohl in schöner Erinnerung bleiben.

G.G./S.F./H.R.